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Hi!

…und willkommen bei Bklynbabe. Ich bin mit 42 Mama geworden und im Sommer 2018 mit Mann und 6 Monate altem Baby nach New York gezogen. Jede Menge Abenteuer inbegriffen…

Danke Corona!

Danke Corona!

Seit dem lockdown nimmt sich mein Mann jeden Tag 1,5 Stunden Zeit für unsere Tochter - damit ich in Ruhe putzen, schreiben, kochen oder Yoga machen kann. Er hat diesen time-slot am Nachmittag sogar in seinem E-Mail Abwesenheitsagenten verankert. Die beiden gehen meist raus, spazieren, auf den Spielplatz. Seitdem ist da eine neue Innigkeit, die ich so vorher nie wahrgenommen habe. „Du hast Matilda durch Corona nochmal ganz anders kennengelernt, oder?“ sinnierte ich gestern bei ihrer Rückkehr. Mein Mann überlegte kurz und sagte dann: „Nein. Ich habe sie überhaupt erst kennengelernt.“ Der Satz schockte mich im ersten Moment. Dann verstand ich. Die beiden hatten vor der Pandemie eine Art Fernbeziehung. Wenn Jörn morgens das Haus verließ, schlief Matilda meist noch und wenn er abends nach Hause kam, konnten wir mit ein wenig Glück noch gemeinsam Abend essen. Oft reichte es auch nur noch für eine Gute-Nacht Geschichte oder einen Gute-Nacht-Kuss. Manchmal schlief sie bereits, wenn Daddy die Haustür aufschloss. Natürlich gab es die gemeinsamen Wochenenden und Urlaube. Aber wie das bei Fernbeziehungen eben so ist, es ist nicht der gemeinsam erlebte Alltag. Jetzt bekommt mein Mann mit, dass seine Tochter morgens (genau wie die Mama) ein wenig Zeit braucht, bis der Tag losgehen kann. Dass sie mittlerweile ganz klare Vorstellungen davon hat, welches Shirt angezogen werden sollte. Dass Karotte immer noch „yuck“ (ekelig) ist und sie sich am liebsten nur von Jo-Jo (Joghurt) ernähren würde. All die vielen Details, die diese kleine Persönlichkeit eben ausmachen. Ich freue mich für die beiden und über die neue Vertrautheit. 

Und mir wird klar, dass sich auch mein Verhältnis zu meiner Tochter durch den lockdown verändert hat. Ich hatte mich keineswegs gefreut, als die Schließung der Kita bekanntgegeben wurde. Um ehrlich zu sein, ich hatte sogar regelrecht Panik. Es war März, immer noch kalt und verdammt regnerisch. Was sollte ich nur den ganzen Tag mit ihr machen, wenn Bibliotheken, Museen und Spielplätze geschlossen waren? Das war mein erster Gedanke. Seit Matilda 1,5 Jahre alt ist, war ich daran gewöhnt, dass sie zunächst stundenweise, zuletzt von 9 bis 5 in der Kita war und ich Zeit für mich, für meinen Job, für den Haushalt hatte. Die Zeit, die wir nach der Kita gemeinsam hatten, verbrachten wir meist auf einem Spielplatz oder mit und bei Freunden. 24/7 allein mit ihr? Das war neu. So schwer es mir fällt, dies zuzugeben, aber ich musste tatsächlich erst lernen, mit meiner Tochter abzuhängen. Die ersten Wochen des lockdowns hangelte ich mich ängstlich von einem selbst erdachten Programmpunkt zum nächsten, von einem Zeitfenster zum anderen. Malen von 10-11, Spazierengehen von 11-12:30, Mittagessen von 12.30 bis 13:00 usw. Regentage stellten mich angesichts des Bewegungsdranges unserer Tochter regelmässig vor eine große Herausforderung. Und dann begriff ich endlich. Ich konnte es einfach laufen lassen. Kein Stundenplan, keine Termine, völlig neue Morgenroutinen. Matilda liebt es, nach dem Aufwachen alle Kissen in ihrem Zimmer auf einen Haufen zu werfen und mit meiner Hilfe von ihrem kleinen Sofa auf den Kissenberg zu springen. 

Für den heutigen Vormittag hatte ich eigentlich geplant, eine Runde um den Block zu drehen und Brot kaufen. Statt dessen sassen wir eng aneinander gekuschelt auf dem Lounge Sessel auf dem Balkon und lauschten der Tonie-Box. Drei Geschichten hintereinander hörten wir uns an und ich geniesse diese ungeplanten und innigen Momente sehr. 

Wer weiß, wie lange wir ohne Corona gebraucht hätten, uns in dieser Intensität kennenzulernen. Nicht, dass ich mich nicht trotzdem darauf freue, wenn die Kita wieder aufmacht und wir bis zu einem gewissen Grad zur früheren Normalität zurückkehren. Aber dennoch. Danke Corona für diesen Crash-Kurs.

Darwin vs David

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Servicewüste USA

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