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…und willkommen bei Bklynbabe. Ich bin mit 42 Mama geworden und im Sommer 2018 mit Mann und 6 Monate altem Baby nach New York gezogen. Jede Menge Abenteuer inbegriffen…

Verbrechen vor der Haustüre

Verbrechen vor der Haustüre

Heute lebe ich seit zwei Wochen und drei Tagen in Bedford Stuyvesant. In dieser Zeit gab es zwei Schießereien. Letzte Woche wurde einem Polizisten ins Bein geschossen. Heute gäbe es eine Schießerei vor der Bücherei, in die ich jeden Tag mit Matilda gehe - exakt 7 Laufminuten von unserem Haus entfernt. Erst heute morgen besuchten wir die Vorlesestunde bei Miss Emilia - ‚Babies & Books‘. Als ich am Nachmittag mit der Kleinen in der Trage vor meiner Brust baumelnd unseren obligatorischen Spaziergang starte, ist der gesamte Nachbarblock von der Polizei gesperrt. Das aus Filmen so wohl bekannte Band flatterte im strahlenden Sonnenlicht. Verbrechen geschehen also auch bei helllichtem Tag.

Matilda baumelt quitschfidel vor meiner Brust und mir sinkt das Herz. Wie soll ich sie beschützen, wenn sie wie ein Panzer meinen eigenen Körper bedeckt? Ich laufe schnurstracks zurück, beäuge die entgegenkommenden Menschen, die plötzlich alle potenzielle Täter sind. Sofort flammt in mir der Gedanke auf, dass wir hier wieder wegziehen müssen, auch wenn wir noch gar nicht richtig eingezogen sind. Mein Mann erzählt mir am Abend, dass in Manhattan mehr Gewaltverbrechen geschehen als in Brooklyn. Ein kleiner perverser Trost. Am nächsten Tag stehen vor der Bücherei unzählige Kerzen. RIP, ein Luftballon am Gitter dahinter. Der 16-Jährige, der von einem 17-Jährigen aus Eifersucht erschossen wurde, ist im Krankenhaus seinen Kopfverletzungen erlegen. 

Ich könnte heulen, fühle mit der Mutter, dem Vater, der Schwester, der Tante, der Oma, dem Opa… Und gleichzeitig möchte ich es gar nicht an mich ranlassen, möchte eigentlich gar nicht wissen, wer da sein Leben liess. Möchte mich nicht mit der Frage beschäftigen, ob die Gegend sicher genug ist für Matilda.

Ein paar Wochen später sitze ich mit meinem Mann wie üblich zum Abendessen auf der Treppe vor unserem Haus. Wir hatten gerade in unsere Pizza gebissen, da schiesst dieses Auto aus dem Nichts unsere Strasse entlang. Das erste Auto wird waghalsig überholt, das zweite beim Überholen gerammt. Der Wagen rast weiter. Wow, sagt mein Mann, wenn das mal keine Flucht war. Er hat den Satz noch nicht zu Ende gesagt, da jagt auch schon das Polizeiauto an uns vorbei. Die filmreife Szene ist schon in der nächsten Minute wieder irreal und doch bleibt ein fader Nachgeschmack. Was wäre passiert, wenn der Flüchtende ausgestiegen wäre und eine Geisel gebraucht hätte? Hätte, hätte, Fahrradkette, ja ja… Mir wird bewusst, dass ich keine Angst habe, Opfer eines Angriffs auf meine Person zu werden. Ich habe nur Angst, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Nur….

Und dann erinnere ich mich an das Attentat in London, auf der London Bridge. Wir waren an diesem Abend keine 30 Meter Luftlinie von der Messerstecherei entfernt auf dem Nachhauseweg von einem Italiener. Ich war damals im 7. Monat schwanger. In den 1,5 Jahren, die ich in London gelebt habe, gab es vier Attentate. Mit jedem sank seltsamerweise ein wenig die Angst und wuchs der Glaube, dass es schon irgendwie gut gehen wird. Letztlich kann zu jeder Minute überall eine Bombe hochgehen, wird es immer irgendwo einen Verrückten mit einem Messer geben. Wie sagte meine Oma immer? Ich kann morgen auch vom Bus überfahren werden.

Plötzlich Single

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